Für die Wirtschaft und die Menschen in Ostfriesland einschließlich der ostfriesischen Inseln sind der Tourismus und Fremdenverkehr eine wichtige Basis um Einkommen und Wohlstand zu erwirtschaften. Die aktuelle Corona-Krise hat die Branche von einem optimistischen Start in das Jahr 2020 auf praktisch null zurückgeworfen – die Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe sowie private Unterkünfte sind geschlossen, zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in Kurzarbeit oder bereits entlassen, viele Betriebe kämpfen um das wirtschaftliche Überleben. Die Mitarbeiter erfahren massive Einkommenseinbußen und haben Sorge um ihre Arbeitsplätze.
Die von Bundes- und
Landesregierungen als auch den Kommunen mit Augenmaß erlassenen und konsequent
durchgesetzten Beschränkungen führten wesentlich zur Eindämmung des
Corona-Virus. Dieser Erfolg wäre ohne das sehr disziplinierte und solidarische
Verhalten der Bevölkerung nicht denkbar gewesen. Die Infektions- und
Krankenzahlen gehen derzeit zurück. Deshalb ist eine vorsichtige Rücknahme von
Beschränkungen – auch für den Fremdenverkehr und Tourismus, die
Freizeitwirtschaft sowie die Gastronomie – sinnvoll und möglich. Auch aus
familienpolitischer Sicht ist es geboten, kontrolliert und mit Augenmaß,
Freizeit- und Erholungsangebote schrittweise wieder zuzulassen. Die
mehrwöchigen Beschränkungen wurden und werden von den Familien mit großem
persönlichem Einsatz getragen, sind jedoch für die Kinder wie für ihre Eltern
oftmals herausfordernd. Für sie sollten jetzt, nachdem das Infektionsgeschehen
rückläufig ist, kontrolliert und unter dem Gebot des persönlichen und
allgemeinen Gesundheitsschutzes, mehr Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und
Erholung eröffnet werden.
Vor diesem Hintergrund und nach
zahlreichen Gesprächen sowie einer Videokonferenz mit wichtigen Akteuren der
Tourismuswirtschaft der Region haben die Unterzeichnenden für die CDU
Ostfriesland folgendes Positions- und Forderungspapier erarbeitet, das die
Wiederbelebung des Tourismus und Fremdenverkehr in der Region unterstützen
soll. Es steht unter dem Gebot des weiterhin konsequenten Schutzes der
Gesundheitssysteme vor Überlastung. Jeder Schritt der Öffnung wie der Beschränkung
bedarf daher regelmäßiger Überprüfung mit Blick auf die Entwicklung des
Infektionsgeschehens. Eine regionale und sektorale Herangehensweise scheint
dabei sinnvoll.
1. Stufenweise Belebung von Tourismuswirtschaft, Hotellerie und Gastronomie
Der Vorschlag der Wirtschafts-
und Tourismusminister von Baden-Württemberg, NordrheinWestfalen und
Niedersachsen, die touristischen und gastronomischen Strukturen schrittweise
möglichst bis zum 25. Mai 2020 wieder hochzufahren sowie der sektorale Ansatz
dieses Konzeptes, werden ausdrücklich begrüßt. Jeder zusätzliche Schritt der
kontrollierten Rücknahme von Beschränkungen muss dabei unter dem Vorbehalt der
Entwicklung des Infektionsgeschehens stehen.
Die Öffnung der Destinationen für
Tagestouristen sollte dabei – insbesondere auf den Inseln – am Ende dieser
Entwicklung stehen und nur unter dem Vorbehalt eines weiterhin rückläufigen
Infektionsgeschehens ermöglicht werden. Es besteht die Sorge, dass der
geregelte und kontrollierte Zugang zu den Inseln seitens der Fährbetriebe sowie
der Kommunen ansonsten nicht gewährleistet werden kann.
Die Basis für eine solche
schrittweise Wiederbelebung des Tourismus und Hotel- und Gastronomiegewerbes
haben der DeHoGa, die Tourismusverbände und Kammern gelegt, die trotz der
harten Einschnitte mit großer Besonnenheit reagiert, konsequent kommuniziert und
zugleich kompetent Konzepte und Hilfestellungen für das Wiederanfahren der
Betriebe erarbeitet haben. Ihnen gilt besonderer Dank für das bisher Geleistete,
verbunden mit der Aufforderung, die schrittweise Öffnung ebenso konsequent
konzeptionell und mit Beratung und Unterstützung zu begleiten.
2. Verantwortung der Betriebe für den gelingenden Infektions- und
Gesundheitsschutz
Bedingung für die gelingende
Wiederbelebung der Tourismus- und Gastronomiewirtschaft unserer Region ist die
Einhaltung der Umgangs- und Kontaktbeschränkungen und der
Arbeitsschutzbestimmungen, die von Bund, Land und Kommunen verfügt sind und
stetig der aktuellen Lage angepasst werden. Dafür ist es erforderlich, für alle
Bereiche und für jede Einrichtung Abstands- und Hygienekonzepte zu erstellen,
die Gäste darüber offensiv zu informieren und das Personal intensiv zu schulen.
So muss sichergestellt werden, dass die geltenden Vorschriften angewandt und
durchgesetzt werden. Die Unternehmen und Einrichtungen tragen zentrale
Verantwortung dafür, dass es gelingt, ihren Wirtschaftszweig unter Einhaltung
des Infektionsschutzes für Gäste, Mitarbeiter und Bevölkerung wiederzubeleben
und einen erneuten Lockdown zu vermeiden.
3. Landesverordnungen für den Schutz der Bevölkerung vor dem
Corona-Virus sowie Möglichkeiten der regionalen Anwendung und Auslegung
Die von Bund und Land zum Schutz
der Menschen vor Infektionsrisiken erlassenen Regelungen sind teilweise
grundsätzlich und/ oder allgemein verfasst. Aufgabe der Landkreise ist es,
diese im Wege der Allgemeinverfügung regional zu verifizieren. Diese
Vorgehensweise ist bei der Wiederzulassung touristischer Aktivitäten unbedingt
sinnvoll. So können differenzierte Regelungen für den Inseltourismus angezeigt
sein.
Zudem müssen die Behörden vor Ort
differenziert auf ihre individuelle Lage reagieren können. Infektionen zum
Beispiel auf einer Insel oder in einem Küstenort dürfen nicht zum kompletten Lock
down der anderen Inseln und der Küste oder gar dem ganzen Land führen. Die
Landesverordnungen sollten regionalisiert und in der Entscheidungskompetenz der
zuständigen Landkreise umgesetzt werden.
Zu ihrer Unterstützung sollte das
Landesgesundheitsamt – dem Beispiel von SchleswigHolstein und
Mecklenburg-Vorpommern folgend –
seuchenhygienische Regeln formulieren.
4. Reisefreiheit
Derzeit ist die Reisefreiheit
auch innerhalb Deutschlands teilweise beschränkt. Diese muss schnellstmöglich
wiederhergestellt werden. Um eine zu hohe überregionale Fluktuation der Gäste
dennoch zu vermeiden, ist die Festlegung einer Mindestaufenthaltsdauer in der
jeweiligen Unterkunft von fünf Tagen sinnvoll und umsetzbar.
Für die Wiedererlaubnis der
Nutzung einer Zweitwohnung muss die Vorlage einer Zweitwohnsitzbescheinigung
wenigstens eines Familienmitgliedes der in direkter Linie verwandten
Immobiliennutzer Voraussetzung sein. Freunde und weitere Anverwandte sind von
der Nutzung bis auf weiteres auszuschließen.
Das Meldewesen für
Übernachtungsgäste muss von gewerblichen Vermietungen (Hotels) konsequent auch
auf private Unterkünfte ausgedehnt werden, um bei einer Zunahme von Infektionen
die Infektionswege und Kontakte der Betroffenen einfacher, schneller und
effektiver nachvollziehen zu können.
5. Personal- und Testkapazitäten der Gesundheitsämter
Der Infektionsschutz steht und
fällt mit der Qualität der Arbeit der zuständigen Gesundheitsämter bei den
jeweiligen Kreisbehörden. Diese müssen personell aufgestockt werden und bei der
Infektionsbekämpfung und -kontrolle qualifizierte Hilfe vom
Landesgesundheitsamt erhalten.
Die Aufstockung der
Testkapazitäten gerade auch in den Tourismusdestinationen wird ebenfalls eine
wichtige Grundlage für die Wiederbelebung des Tourismus sein. So können
Infektionsfälle schnell erkannt, Infektionsketten ermittelt und unterbrochen
werden.
Grundlage der Infektionskontrolle
ist die vollständige Kontaktnachverfolgung bei jedem Neuinfizierten. Wenn die
Kontaktnachverfolgung nicht gelingen würde, bestünde die Gefahr, dass eine neue
Infektionsdynamik entsteht. Deshalb sind auf die geöffneten touristischen
Übernachtungskapazitäten angepasst in den Gesundheitsämtern zusätzliche
Personalkapazitäten (ein Team aus 5 Personen je 20.000 Personen) aufzubauen.
6. Behördliche Unterstützung für den Fährbetrieb zu den Inseln
Eine besondere Funktion für den
Fremdenverkehr und Tourismus auf den Ostfriesischen Inseln haben die
Fährbetriebe, die mit ihren Fahrgastschiffen die Gäste, aber auch Arbeitnehmer
und Einwohner zu den Inseln und zurück aufs Festland bringen. Wenn der
Inseltourismus wieder anläuft, haben sie eine Schlüsselrolle, um den Zugang zu
den Inseln zu organisieren und die Auflagen durchzusetzen. Sie benötigen
hierfür administrative Unterstützung der Behörden, insbesondere um die
Zugangsberechtigung der Gäste feststellen zu können.
7. Transparentes Informationskonzept
Um eine breite Akzeptanz des
Neustarts der Tourismuswirtschaft in Ostfriesland in der gesamten Bevölkerung
zu erreichen, ist eine abgestimmte, offensive, transparente und breit angelegte
Kommunikation der Schritte, Auflagen und Maßnahmen durch alle an der Umsetzung
mitwirkenden Akteure erforderlich. Die gültigen und geplanten Maßnahmen sollten
durch die Behörden, unterstützt durch die Tourismusverbände und den DeHoGa,
insbesondere der einheimischen Bevölkerung dargestellt und begründet werden.
Die Kommunikationsstrategie sollte auch durch das Land Niedersachsen
unterstützt und mit ihm abgestimmt werden. Denkbar ist ein regelmäßig zu
veröffentlichender Meilensteinplan, in dem abzulesen ist, unter welchen
Voraussetzungen und wann der nächste „Lockerungsmeilenstein“ erfolgen kann.
8. Zusammenarbeit mit Nachbarländern
Es ist enttäuschend, dass sich
die Ministerpräsidenten in ihrer Konferenz am 30. April 2020 mit der
Bundeskanzlerin über Fragen der Wiedereröffnung von Hotels, Gastronomie und
Freizeiteinrichtungen nicht verständigen konnten. Wir hätten uns hier eine einheitliche
Regelung gewünscht, um Wettbewerbsgleichheit zu gewährleisten. Nun muss
Niedersachsen in eigener Verantwortung und unter Berücksichtigung regionaler
Besonderheiten entscheiden.
Die Wirtschafts- und
Tourismusminister der Länder Niedersachsen, Baden-Württemberg und
Nordrhein-Westfalen haben vor wenigen Tagen ein gemeinsames 3-Phasen-Szenario
zur schrittweisen Belebung der Tourismuswirtschaft, Hotellerie und Gastronomie
unter Wahrung des Gesundheitsschutzes bis zum 25. Mai vorgelegt. Wir
unterstützen dieses gemeinsame Vorgehen, derweil zahlreiche Urlaubsgäste an der
Nordsee und auf den ostfriesischen Inseln aus den beiden südlicher gelegenen
Bundesländern stammen.
Ebenso wichtig ist aber auch eine
Zusammenarbeit mit den Nachbarländern SchleswigHolstein und
Mecklenburg-Vorpommern, da hier die touristischen Strukturen ähnlich denen in
Niedersachsen sind.
9. Finanzieller Rettungsschirm für den Tourismus
Für zahlreiche
Wirtschaftsbereiche wurden im Zuge der Pandemiebekämpfung finanzielle Rettungsschirme
in Form von verfallenden Zuschüssen und erleichterten Kreditbedingungen
geschaffen. Diese sind jedoch nur unzureichend auf die von Tourismus und
Fremdenverkehr abhängigen Betrieben und privaten Anbieter angepasst. Deshalb
braucht es die Entwicklung passgenauer Maßnahmen und Förder-, insbesondere aber
Zuschussprogramme. Denn einmal entgangene Einnahmen in Tourismus und
Fremdenverkehr können nicht durch künftige Einnahmen ausgeglichen werden – ein
nicht erlebter Urlaub kann nicht nachgeholt werden.
Die Senkung des
Mehrwertsteuersatzes von 19 auf 7 Prozent auf Speisen in der Gastronomie für
ein Jahr ist nicht hinreichend, um den Betrieben die Möglichkeit zu geben, die
Einbußen dieser Saison zurückzuverdienen. Da auf absehbare Zeit nur begrenzt
Einnahmen erzielt werden, wirkt diese Steuersatzminderung zudem nur sehr
eingeschränkt. Sinnvoll wäre die Ausweitung der Steuersatzsenkung über einen
längeren Zeitraum, mindestens bis Ende 2023.
Zudem unterstützen wir
grundsätzlich das 6-Punkte-Sofortprogramm des Tourismusverbandes Niedersachsen
und insbesondere die Forderung für ein gezieltes touristisches
Investitionsprogramm sowie die Anpassung laufender Förderprogramme (zumeist EU-
und/ oder GRW-Mittel-finanziert) an die Corona-Bedingungen. Die laufende Projektfinanzierung
darf nicht gefährdet, neue Investitionen müssen – trotz der jetzt geschwächten
Eigenkapitalsituation vieler Betriebe – dringend gefördert werden. Ein
„Rettungsschirm“ für den Tourismus Dieser sollte auch die auf längere Sicht
wirtschaftlich schwierige Lage der Reisebüros und der Reiseveranstalter
berücksichtigen.
Autoren:
Sven Behrens – Vorsitzender der
CDU Ostfriesland
Björn Fischer – Vorsitzender
CDU-Kreisverband Wittmund
Ulf Thiele – Mitglied des
Niedersächsischen Landtages
01. Mai 2020