Es ist schon viel gelungen. Ostfriesland hat sich in den letzten 30 Jahren vom Armenhaus Deutschlands mit einer Arbeitslosenquote von gut 20 Prozent, zu einer zukunftsgewandten Region entwickelt. Dazu haben der Auf- und Ausbau der Industriestrukturen in Emden, Aurich und Papenburg, das Erstarken des Reedereistandorts Leer zum zweitgrößten Deutschlands, der Ausbau der Windenergie sowohl offshore als auch onshore in der gesamten Küstenregion, der Ausbau der Behördenstrukturen in Aurich, der Auf- und Ausbau der mittelständischen Handwerks- und Industrieunternehmen sowie des Dienstleistungsgewerbes in allen ostfriesischen Landkreisen und der Stadt Emden beigetragen. Investitionen in die touristische Infrastruktur und die Bündelung des Marketings in einer gemeinsamen Organisation sowie erhebliche Investitionen in die landwirtschaftlichen Betriebe und Konzentrationsprozessen in den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Branchen haben ihren Anteil daran. In Ostfriesland liegt viel Potential. Durch den Ausbau der hochschulischen und auch der beruflichen Bildungsangebote in den vergangenen Jahrzehnten sichtbar wurde die Entwicklung unserer Heimat zu einer heute prosperierenden Zu-kunfts-Region begleitet und unterstützt.
Ostfriesland steht nun vor großen Herausforderungen: Beginnend mit der Schließung der Thyssen-Nordseewerke, der jetzt folgenden strukturellen Veränderung der Produktion von VW in Emden, der mit der Weltfinanzkrise einsetzenden Krisen in der Reedereiwirtschaft sowie bei Enercon, den Folgen der Corona-Krise für die Meyer Werft, die Tourismuswirtschaft sowie den Einzelhandel, die Gastronomie und das Veranstaltungsgewerbe sowie dem erheblichen und sich beschleunigenden Strukturwandel in der Landwirtschaft droht die bislang positive Entwicklung der vergangenen Jahre dauerhaft ins Negative umzukehren. Die Region hat zudem weiterhin Defizite im Aufbau der digitalen Infrastruktur und auch Bedarfe im Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Andererseits gibt es in Ostfriesland inzwischen sowohl ökonomische als auch institutionelle und strukturelle Stärken, die Basis für eine weitere positive wirtschaftliche Entwicklung der Region sein können. Diese gilt es zu unterstützen und zu fördern. Genauso wie eine Haltung des „Gelingenwollens“. Die handelnden Akteure müssen zielgerichtet ihre Kräfte bündeln und auch die Menschen mitnehmen auf die Reise in den Arbeitsmarkt der Zukunft.
Mit dem Ostfrieslandplan hat der Niedersächsische Wirtschaftsminister auf unsere gemeinsame Initiative hin und in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftsminister und der Landwirtschaftsministerin zwischenzeitlich die Modellregion Innovatives Ostfriesland etabliert. So sollen die vorhandenen Potentiale Ostfrieslands fokussiert, mobilisiert und ausgebaut sowie weitere Perspektiven und kooperative Handlungsmodelle entwickelt werden. Dahinter steht eine Innovationsstrategie mit den Schwerpunkten Mobilität, Logistik, Energie, Digitalisierung, Tourismus und Agrarwirtschaft, mit der die ökonomisch relevanten Akteure vor Ort und ihre Handlungsstränge aufeinander abgestimmt und koordiniert werden. Die „Stabstelle Modellregion innovatives Ostfriesland“ der Hochschule Emden-Leer, die „Projektfabrik“ der Ems-Achse, die „Allianz für Ostfriesland“ als Arbeitsgemeinschaft der Gebietskörperschaften sowie das Projektbüro „Innovative Landwirtschaft Ostfriesland“ (ILO) des Grünlandzentrums Niedersachsen/Bremen beim Landwirtschaftlichen Hauptverein haben Ihre Arbeit aufgenommen.
Erste Erfolge sind erkennbar. Die Projektfabrik hat bereits zahlreiche Projektideen in der Region unterstützt und ihr Gelingen befördert, um neue Erfolgsgeschichten in der Region zu schreiben. Die Hochschule Emden-Leer wurde im „Forschungsverbund 4N: Nordwest Niedersachsen Nachhaltig Neu“, gemeinsam mit der Universität Vechta, der Jade Hochschule sowie Forschern der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg und der Georg-August-Universität Göttingen vom Wissenschaftsminister beauftragt, aktuelle Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Strukturwandel im ländlichen Nordwesten Niedersachsens zu bearbeiten und infolgedessen gesellschaftliche, technische und ökologische Veränderungen anzustoßen. Diese Struktur für Innovation und Zusammenarbeit wollen wir nutzen, um Ostfriesland zu einer der innovationsfreundlichsten Regionen Deutschlands zu entwickeln. Insbesondere die leistungsfähigen und innovationsfreudigen mittelständischen Unternehmen der Region wollen wir vernetzen und unterstützen. Wir wollen neue Technologien ansiedeln und etablieren, um neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze in Ostfriesland schaffen zu können. Dafür müssen die jetzt aufgebauten Strukturen der Modellregion Innovatives Ostfriesland längerfristig etabliert werden.
Die Hochschule Emden-Leer ist klein, aber leistungsstark. Um das Innovationssystem, die Gründerkultur und damit auch die wirtschaftliche Dynamik in Ostfriesland zu stärken, sollte sie noch deutlicher auf die Gründung von Startups ausgerichtet werden. Denn wir wollen Ostfriesland zu einer führenden Gründerregion entwickeln. Für das Ziel eines starken Gründer-Ökosystems und von Innovationsräumen rund um die Hochschule braucht es die passenden Strukturen und Anreize für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, damit diese Gründungen gezielter fördern. Wir schlagen hierfür vor, das Niedersächsische Hochschulgesetz so anzupassen, dass die Hochschulen die Möglichkeit bekommen, sich unmittelbar mit eigenen Gesellschaften an Startups zu beteiligen. Aus Beteiligungen und Lizensierungen an solchen Gründungen sollen Hochschulen auch Gewinne erzielen dürfen.
Im Rahmen der Modellregion Innovatives Ostfriesland hat die Hochschule Emden-Leer mit ihrer Stabstelle auch die Aufgabe übernommen, den Transfer von Ideen und Forschungsergebnissen in die Anwendung zu verbessern. Sie sollen gezielt die Schnittstellen in den Blick nehmen und den Wissenstransfer befördern. Als Innovationsbeschleuniger muss sie auf Schlüsseltechnologien ausgerichtet werden und die digitale Transformation primär als Querschnittsaufgabe betrachten. Grundlagenforschung, anwendungsnahe Technologieentwicklung und Wirtschaft müssen dabei entlang der ganzen Innovationskette zusammenarbeiten. So entsteht ein günstiges Umfeld für Ausgründungen und Startups.
Um die notwendige institutionen- und standortübergreifende Vernetzung sowie die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft auch personenbezogen zu stärken, fordern wir, hierfür zusätzliche Stiftungs- und Brückenprofessuren an der Hochschule Emden-Leer einzurichten.
Für Startups und junge Unternehmen braucht es neben Risikokapital auch Wachstumskapital, das reifere Startups auf die nächste Ebene bringen kann. Hierfür schlagen wir vom Land und privaten Kapitalgebern gemeinsam finanzierte regionale Risikokapital-Fonds vor. Wir fordern, die Innovations- und Gründungsförderung der Hochschule in die Lage zu versetzen, auch hochkompetitive Unterstützung anzubieten, damit Unternehmen einen hohen Technologie-Reifegrad erreichen können.
Ulf Thiele
Der macht das. Mit Herzblut.
Wahlkreisbüro
Melden Sie sich für meinen Newsletter an...